Vielfalt und Chancengleichheit gewinnen in der Wirtschaft zunehmend an Bedeutung. Eine aktuelle Studie zeigt, dass 96 Prozent der größten Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz Diversität in ihre Unternehmensstrategie integriert haben. Dennoch gibt es weiterhin Defizite bei der Umsetzung, insbesondere in den Führungsetagen.
Vielfalt als Unternehmensstrategie
Laut einer Untersuchung von Kirchhoff Consult und der Wirtschaftsprüfung BDO haben 70 Prozent der befragten Unternehmen eine Abteilung oder verantwortliche Person für das Thema Diversität benannt. Jedoch sind nur neun Prozent der Aufsichtsräte aktiv mit dem Thema befasst, und weniger als die Hälfte der Unternehmen erfasst Diskriminierungsvorfälle systematisch.
Das Marktforschungsinstitut SWI Human Resources (SWI HR) hat im Auftrag des Handelsblatts untersucht, wie Unternehmen Diversität, Chancengleichheit und faire Karriereförderung umsetzen. In der Studie wurden fast 2000 Unternehmen nach ihren Maßnahmen befragt und bewertet.
Beste Bedingungen für faire Karrierechancen
Unternehmen, die sich besonders für Chancengleichheit engagieren, wurden in verschiedenen Kategorien ausgezeichnet. Die Allianz erreichte unter den Großunternehmen mit über 1000 Beschäftigten die höchste Punktzahl. Der Versicherungskonzern setzt auf eine diverse Belegschaft mit über 170 Nationalitäten und einem Frauenanteil von 52 Prozent. Zudem engagiert sich das Unternehmen mit Netzwerken wie „Allianz Pride“ für Geschlechtervielfalt und Inklusion.
In der Kategorie der kleineren Betriebe mit weniger als 100 Beschäftigten überzeugte der Aachener Pflegedienst Lebensplus. Bei Unternehmen zwischen 100 und 500 Beschäftigten wurde die Sozial-Holding der Stadt Mönchengladbach als Vorreiter ausgezeichnet. Den zweiten Platz belegte Projektron, ein Berliner Unternehmen, das Projektmanagement-Software entwickelt. Besonders bemerkenswert: Fast genauso viele Frauen wie Männer arbeiten dort – eine Seltenheit in der IT-Branche.
Sandra Gerhardt, Leiterin des Personalmanagements bei Projektron, betont die Bedeutung flexibler Arbeitsmodelle. Rund 70 Prozent der 130 Beschäftigten arbeiten in Teilzeit, darunter auch viele Männer und Führungskräfte. „Uns ist wichtig, dass wir Angebote für jede Lebensphase schaffen und uns an individuelle Bedürfnisse anpassen“, erklärt sie. Altersdiversität spielt ebenfalls eine zentrale Rolle – junge Berufseinsteiger profitieren von den Erfahrungen älterer Kollegen und umgekehrt.
Engagement für eine diskriminierungsfreie Arbeitswelt
Seit 2006 setzt sich die Initiative „Charta der Vielfalt“ für eine diverse und faire Arbeitswelt ein. Mehr als 6000 Unternehmen und Institutionen haben sich dieser Selbstverpflichtung angeschlossen. Sie fördern sieben Dimensionen der Vielfalt, darunter soziale und ethnische Herkunft, Geschlecht, Alter, Religion und Weltanschauung.
Cawa Younosi, Geschäftsführer der „Charta der Vielfalt“, hebt die gesellschaftliche Verantwortung der Wirtschaft hervor. „Menschen verbringen einen großen Teil ihres Lebens am Arbeitsplatz – entsprechend groß ist der Einfluss der Arbeitswelt auf die Gesellschaft“, erklärt er. Unternehmen könnten entscheidend dazu beitragen, die Vorteile einer pluralistischen Gesellschaft zu fördern und Vorurteile abzubauen.
Younosi, selbst einst Flüchtling aus Afghanistan, hat sich als ehemaliger Personalchef von SAP für eine familienfreundliche und inklusive Personalpolitik eingesetzt. Seit September leitet er die gemeinnützige Organisation und setzt sich weiterhin für eine gerechtere Arbeitswelt ein.
Fazit
Immer mehr Unternehmen erkennen die Bedeutung von Diversität und Chancengleichheit als Erfolgsfaktor. Während einige Firmen bereits vorbildliche Maßnahmen umgesetzt haben, besteht in vielen Bereichen noch Nachholbedarf. Die wachsende Bedeutung dieser Themen zeigt jedoch, dass Vielfalt in der Wirtschaft nicht nur eine gesellschaftliche Verantwortung, sondern auch ein entscheidender Wettbewerbsvorteil ist.