Trotz des anhaltenden Fachkräftemangels in Deutschland haben Menschen mit Behinderung immer größere Schwierigkeiten, eine Anstellung zu finden. Dies belegt das aktuelle „Inklusionsbarometer Arbeit“, das von der Aktion Mensch und dem Handelsblatt Research Institute veröffentlicht wurde.
Ungenutztes Potenzial im Arbeitsmarkt
Während mehr als 1,3 Millionen Stellen im zweiten Quartal unbesetzt blieben, zeigt die Erhebung, dass über die Hälfte der 3,13 Millionen erwerbsfähigen Menschen mit Behinderung nicht in den Arbeitsmarkt integriert ist. Zum Vergleich: Die Quote der Nicht-Erwerbstätigen in der Gesamtbevölkerung liegt bei etwa 20 Prozent. Die Arbeitslosenquote unter Menschen mit Behinderung betrug im vergangenen Jahr elf Prozent – fast doppelt so hoch wie die für Menschen ohne Behinderung.
Unternehmen umgehen Beschäftigungspflicht
Laut Gesetz müssen Unternehmen mit mindestens 20 Beschäftigten mindestens fünf Prozent ihrer Stellen mit schwerbehinderten Menschen besetzen. Doch immer mehr Firmen entscheiden sich stattdessen für die Zahlung der Ausgleichsabgabe. Lediglich 38,5 Prozent der Unternehmen besetzen alle vorgeschriebenen Pflichtarbeitsplätze – ein historischer Tiefstand seit Beginn der Erhebung im Jahr 2013. Nur rund 43.000 Betriebe beschäftigen mehr Menschen mit Behinderung als gesetzlich erforderlich.
Die Gesamtbeschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung liegt bei nur 4,4 Prozent und bleibt damit unter den gesetzlichen Anforderungen.
Steigende Entlassungszahlen und neue Gesetzesmaßnahmen
Besonders besorgniserregend ist nicht nur die geringe Einstellungsbereitschaft, sondern auch die steigende Zahl an Entlassungen. Die Daten zeigen, dass im Oktober 2023 fast 24.000 mehr Menschen mit Behinderung arbeitslos gemeldet waren als im Herbst 2019.
Um dem entgegenzuwirken, wurde zu Jahresbeginn das „Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts“ eingeführt. Dieses sieht eine Erhöhung der Ausgleichsabgabe vor, insbesondere für größere Unternehmen mit mindestens 60 Beschäftigten. Arbeitgeber, die keine Menschen mit Behinderung einstellen, müssen nun monatlich 720 Euro zahlen – doppelt so viel wie zuvor.
Fazit
Die Zahlen verdeutlichen, dass trotz gesetzlicher Regelungen Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt weiterhin benachteiligt werden. Während viele Unternehmen sich für die Zahlung der Ausgleichsabgabe entscheiden, bleiben zahlreiche Erwerbsfähige ohne Beschäftigung. Der steigende Arbeitskräftebedarf könnte eine Chance für mehr Inklusion bieten – doch dafür sind ein Umdenken in der Wirtschaft und konsequentere Maßnahmen erforderlich.